BERLIN

Großes Los bei Grisebach: Thomas Scheibitz

Thomas Scheibitz, „Ohne Titel (GP 57)“, 2003 (Detail).

Die Vorbesichtigungen zu den Auktionen bei Grisebach bieten nicht nur eine der effizientesten und zugleich kurzweiligsten Möglichkeiten der Kunstbetrachtung, sondern möglicherweise auch eine der demokratischsten. Hier hängt greater neben lesser, established neben emerging, und jede Arbeit steht einfach so für sich, ohne Bezug zu einer den Blick lenkenden, den Werkgehalt definierenden kuratorischen Metaebene. In Bezug auf die Preise hält das „demokratisch“ natürlich nicht unbedingt Stand, aber hier und da ist ein Werk so niedrig taxiert, dass man schreien möchte, dass man nicht mal die paar tausend Euro übrig hat, es zu ersteigern. (mehr …)

Was vom Gallery Weekend übrig bleibt

Für in Berlin lebende Kunstliebende beginnt die schönste Zeit des Kunstjahres, wenn das Gallery Weekend zu ende ist. Die Events sind vorbei, der Rausch verebbt, die Gäste abgereist, aber das, was den eigentlichen Anlass bildet und während desselben bisweilen zum Bühnenbild verkommt (obwohl es einem Gallery-Weekend-Ausstellungsbrauch folgend zum Besten gehört, dessen die Kunst fähig ist), ist immer noch da und kann in aller Ruhe ein paar Wochen lang betrachtet werden. (mehr …)

Die Frau, die auf dem Teppich bleibt und abhebt

Fatma Shanan, „Self-Portrait on Parquet“, 2019. Courtesy the artist and Dittrich & Schlechtriem.

Jede Kultur hat ihren Teppich. Als Bodenbedeckung hat er seinen Ursprung im Orient, in Russland hängt er bis heute am liebsten an der Wand, in Skandinavien besteht er aus Flicken, in den USA liegt er als hochfloriger Bodenbelag sogar im Badezimmer, und Deutschland hat zwar außer „Auslegeware“ keinen eigenen Beitrag zur Teppichkultur zu bieten, dank des seit Jahren wachsenden Teppichsortiments bei IKEA aber trotzdem eine Vorstellung davon, was Teppich ist. (mehr …)

Echokammerspiel für Gehry und Scharoun

Hans Scharoun, Architekturphantasie, 1939-1945. Akademie der Künste, Berlin, Hans-Scharoun-Archiv, Nr. 2537.

Hans Scharoun hat die Walt Disney Concert Hall in Los Angeles gebaut. Nee, die ist natürlich von Frank Gehry, aber ganz im Ernst: In einer aktuellen Ausstellung, die den Bezügen zwischen den beiden Architekten nachspürt, gibt es ein paar Aquarellzeichnungen von Scharoun, die verblüffenderweise aussehen, als seien es Vorstudien zu Gehrys Konzerthaus in Los Angeles. Überhaupt gibt es ein paar äußerst enge Parallelen im Werk von Scharoun und Gehry, und dass beide jeweils eine Philharmonie gebaut haben, ist nur eine davon, wenn auch eine, an der sich die „Zusammenklänge“, so der Titel der Ausstellung im Max Liebermann Haus in Berlin, zwischen den Architekten besonders gut aufzeigen lassen, weshalb die Berliner Philharmonie und die Walt Disney Concert Hall in L.A. darin besonders viel Raum erhalten. (mehr …)

Auf der art berlin bitte das hier kaufen

Ooooh… nee. Sonst alles super auf der art berlin, aber diese Outdoor-Skulpturenabwurfstelle…

Als es während der Aufbautage zur art berlin in den Hangars des Flughafen Tempelhof hieß, die Messe hätte ein Taubenproblem, hatte ich natürlich erstmal so überhaupt keine Lust auf einen Besuch derselben, also ernsthaft, wie kann man nur „Tauben“ und „Problem“ sinnstiftend in einem Satz unterbringen, geschweige denn in einem Wort, und überhaupt, die Möglichkeit von über Sammlerköpfen kreisenden und auf Kunst kackenden Tauben ist ja wohl eher lustig als problematisch, es liebt halt nicht jeder Kunst, manche scheißen drauf, und das ist voll ok. (mehr …)

Für eine Erweiterung des Galeriebegriffs

Neue Vermittlungswege: Gruppenausstellung per Fahrradkurier. „Gallery. Delivery“ von Sebastian Schmieg, präsentiert von Galerie Roehrs & Boetsch. Photo©André Wunstorf.

Als vor ein paar Monaten die Galerie Gillmeier Rech nach fünf Jahren ihre Schließung bekannt gab, ging ein Schauer durch die Berliner Galerienszene: Oh Gott, noch so jung und schon so gestorben! Als kurze Zeit darauf der Galerist Christian Siekmeier verkündete, mit seiner Galerie Exile nach Wien umzusiedeln, befeuerte er damit das ewig hart an der selbsterfüllenden Prophezeiung entlangschrammende Gerücht, in Berlin gäbe es eben keinen galerieexistenzsichernden Kunstmarkt. Und es ist ja nicht nur Berlin. Das Interview mit Jose Freire von der Team Gallery über seine Gründe, fortan keine Kunstmessen mehr zu bestreiten, ging im Frühjahr um die Galerienwelt und ermutigte weitere Galerien, ihr wirtschaftliches Ringen öffentlich zu machen. Wenn man sich so umhört unter Galeristen, könnte man meinen, das Ende der gesamten Branche sei nahe. Aber stimmt das? Warum reagieren Galerien so sensibel auf jede Schließung eines Kollegenunternehmens, als seien sie die nächsten? Warum schaut jede Galerie so intensiv auf das, was die anderen machen? Was ist überhaupt eine Galerie? (mehr …)

Gebrauchsfertige Unikate

Seit einigen Jahren kann man als Künstler wieder was mit Keramik machen, ohne dafür in die Hobbyecke gestellt zu werden. Vorausgesetzt natürlich, was man mit Keramik macht, sieht nicht nach Gebrauchskunst aus, sondern nach Konzeptkunst. Wenn man sich allerdings entschließt, etwas aus Keramik zu machen, das nicht nur nach Gebrauchskunst aussieht, sondern auch explizit als solche zu verstehen und zu verwenden ist, dann sollte man in seinem Künstlersein besser ordentlich gefestigt sein, um angesichts der Fragen, die einem dann unweigerlich gestellt werden, nicht in Selbstzweifel zu verfallen. Fragen wie „Ist das Kunst, die aber nicht wie Kunst aussehen soll?“ „Ist das Nichtkunst, die aber wie Kunst aussehen soll?“ „Machst du jetzt keine Kunst mehr?“ „Machst du trotzdem noch weiter Kunst?“ „Warum sind die Sachen so billig?“ „Warum sind die Sachen so teuer?“ (mehr …)

Frauen, hört auf mit dem Erbsenzählen!

©CC0 Creative Commons.

War ja klar. Auch dieses Jahr sind drei Galerien für den VBKI-Preis für Berliner Galerien nominiert, und alle drei haben sich mit Ausstellungsprojekten männlicher Künstler beworben – sowas von klar, dass die reflexhafte Empörung angesichts des Fehlens von Frauen nicht lange auf sich warten ließ. Man könnte meinen, wir seien langsam mal einen Schritt weiter, aber dafür erfahren empörte Hinweise auf weiblich unterbesetzte Künstlerlisten immer noch zu viel Zustimmung im Facebook-Feed.

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Jenseits von prekär: Kunstmachen in Berlin

Einfach so eins zu eins eine Pressemitteilung veröffentlichen? Ein guter Kunstblog tut das nicht. Untenstehend also die Copy-Paste-Veröffentlichung der Pressemitteilung zu einer Studie über die Situation von KünstlerInnen in Berlin, denn die darin genannten Zahlen wirken für sich, die muss man nicht in Interpretations-Blabla einbetten. Der Text ist recht lang, deshalb hier die tltr-Version: Kunst machen lohnt sich finanziell gesehen für Frauen noch weniger als für Männer, und in Berlin noch mal weniger als anderswo. Für tiefergehend Interessierte hier die Mitteilung in voller Länge: (mehr …)

ZKR und Schloss Biesdorf sind sich nicht mehr grün

Schloss Biesdorf. Photo© Wikimedia Commons, CC-BY-SA-3.0,2.5,2.0,1.0.

Kleine Berliner Bombe zum Jahresende: Das ZKR – Zentrum für Kunst und öffentlichen Raum verlässt seinen Standort Schloss Biesdorf. Der Betreiber, die Grün Berlin GmbH, war erst im September 2016 im Auftrag des Bezirkes Marzahn-Hellersdorf angetreten, das architektonisch nicht ganz einfache, aber irgendwie zickig-attraktive und landschaftsgärtnerisch toll umarmte Gebäude in der Aufmerksamkeit des Berliner Kulturgeschehens zu verankern – und zwar mit einem großartigen Programm und deshalb unabhängig von den Besucherzahlen erfolgreich. (mehr …)