Ist das Schreiben über Kunst umsonst?

Kunstkritiker können nicht vom Schreiben leben, Kunstmagazine werfen keinen Gewinn ab… Ist das Schreiben über Kunst zum unbezahlten Zeitvertreib verdammt?

Geldelephant

„Wer über Kunst schreibt, kann in der Regel nicht davon leben.“ Das sagt die Kunsthistorikerin und Autorin Ana Finel Honigman in einem Interview dem Whitewall Magazine. Honigman weiß, wovon sie spricht. Sie schrieb jahrelang für Kunst- und sogenannte Lifestyle-Magazine, darunter viele unabhängige Publikationen, jene Sorte Publikationen also, die ohne die Finanzierung eines Großverlages auskommen müssen und ihre Autoren und Fotografen statt in leistungsgerechten Honoraren in „Sichtbarkeit“, „Image“ oder „inhaltlicher Freiheit“ bezahlen. Das ist ok, It takes two to tango, wer sich auf solche Deals einlässt, weiß in der Regel, was er davon hat. Allerdings zahlen selbst solche Magazine schlecht, die von amerikanischen Medienmogulen oder russischen Oligarchen verlegt und finanziert werden. Denn in jenem Teil der Medienlandschaft, in dem es um Kunst geht, oder um „independent“, oder um ästhetisch ganz weit vorn sein, da lässt sich kein Geld machen, sowas ist schwierig zu vermarkten, und überhaupt, weiß doch jeder, dass man sich mit Kunst nicht beschäftigt, um Geld zu verdienen, sondern weil man will, dass das Schöne in der Welt bleibt, oder vielleicht noch wegen der tollen Parties; die ganzen Galerieassistenten, die alle freiwillig für Hungerlöhne arbeiten, weil das nunmal so ist in der Kunstwelt, können das sicher noch besser erklären, aber jedenfalls, was ich sagen wollte: Honigman hat recht, und jeder weiß es, aber warum scheint jeder zu glauben, dass man nichts daran ändern kann?

Dass man nicht nur als Befüller einer Kunstpublikation, sondern auch als Betreiber einer solchen offenbar nicht reich werden kann, selbst wenn man potenter Verleger ist, zeigt der Fall des Magazins Monopol. Ringier hat beschlossen, sein Kunstmagazin zu verkaufen, weil es nicht gelang, es profitabel zu machen (was hoffentlich nicht an den durchaus zufriedenstellend hohen Autorenhonoraren lag) und weil sich aus Großverleger-Perspektive ein Blatt ohne Umsatz halt nicht lohnt. Die Großverleger-Perspektive übersieht, welchen mittelbaren Wert so ein Blatt haben kann. Als Türöffner, Netzwerker, Imagepfleger, als Experimentierfeld oder Innovationstreiber. Im Fall von Monopol übersieht das leider auch die Kleinverleger-Perspektive der neuen Besitzer, einer davon Cicero-Chefredakteur Christoph Schwennicke. In seinem Statement zum Kauf heißt es nämlich, Monopol solle zwar seinen Fokus auf zeitgenössische Kunst wahren, sich künftig aber „inhaltlich weiter öffnen“. Was sich auch mit „visionslos“ oder „beliebig“ oder „wir glauben nicht an Kunst“ übersetzen lässt. Monopol wird also als ein weiterer Beweis dafür herhalten, dass man mit Kunst in den Medien halt kein Geld verdienen kann, und solange sich diese Behauptung hält, kann eben auch, wer hauptberuflich über Kunst schreibt, kein Geld verdienen.

Honigman hat mit der A.F.H. The Culture Writers Agency mittlerweile eine Agentur für Autoren aus dem Kulturbereich gegründet und vermittelt nicht nur Textaufträge, sondern auch Beratertätigkeiten für Sammlungen, Künstler oder Marken. Im oben zitierten Interview konstatiert sie nüchtern, wer über Kunst schreiben wolle, dürfe sich gar nicht erst Illusionen über das zu erwartende Einkommen machen und solle lieber gleich andere Verdienstmöglichkeiten auftun und die Kunstkritik als Liebhabertätigkeit betreiben. Sie fordert aber auch, wer in der Kunstwelt ein Interesse am Schreiben über Kunst als Bestandteil von Kunstvermittlung habe, müsse zum Unterstützer werden, denn „Kritiker schreiben oft über Kunst aus der gleichen Motivation, aus der Künstler Kunst machen“.

Wenn also die Kunstmedien selbst ihre Autoren nicht bezahlen, müssen andere Subventionen leisten? Auf eine Art passiert das bereits seit langem: in Form von Pressereisen. Teilnehmer erhalten zwar kein Honorar, aber zumindest Reisekosten, Unterbringung und oft auch Verpflegung, und manchmal bringt sie die Reise an einen Ort, von dem sie noch einen anderen Artikel pitchen können. Etwas heikel dabei ist natürlich, dass auch unter Kunstkritikern gilt: In die Hand, die einen füttert, wird nicht gebissen. Man nimmt keine Pressereise an, um dann einen Verriss abzuliefern. Andererseits nimmt man eine Pressereise nur dann an, wenn man sich genuin für das angebotene Thema interessiert. Und manchmal gelingt es einer Institution oder Ausstellung nur aufgrund einer Pressereise, auf den Radar der Kunstpresse zu gelangen, was neue Inhalte abseits ausgetretener Pfade generieren kann. Aus eigener Tasche gibt halt kein unterbezahlter Autor Geld für ein Zugticket in die Provinz aus. Insofern ist diese Form der Subventionierung zu begrüßen.

Ganz offen adressierte das Thema gerade die Kunsthalle Memmingen. In der Emaileinladung zur nächsten Ausstellungseröffnung (Nick Crowe & Ian Rawlinson, „Befolgen Sie unsere Befehle“, Freitag, 26.2.2016 um 19h ) heißt es: „Wir sind uns der Probleme, denen freie Journalisten heute gegenüber stehen, bewusst. Wenn Sie unsere Ausstellungen besuchen möchten und dieser Besuch in einem Bericht über das Haus oder einer Besprechung resultiert, sind wir gerne bereit, uns an den Reisekosten zu beteiligen.“

Man fragt sich nur: Warum gelingt es einer wahrscheinlich nicht gerade üppig budgetierten Institution, das Schreiben über Kunst zu unterstützen und einem extra zu diesem Zweck existierenden Medium nicht? Na, genug geschrieben ‒ zurück an die richtige Arbeit.

3 Kommentare

  1. hallo und guten tag blitzkunst,

    eventuell wird das schreiben zu und über kunst zunehmend stärker von den – natürlich eh bereits überlasteten – institutionen übernommen werden?
    es tauchen ja mittlerweile doch einige blogs auf die zu den diversen museen, kunstvereinen- oder hallen gehören und von dort aus unterstützt werden. nicht die lösung, aber eine möglich richtung der entwicklung.
    ich hatte das auch hier mal bereits kurz anpolemisiert http://www.perisphere.de/blogosphare/niemand-braucht-kunstblogs11

    ansonsten. alles gute & weiter so.
    schönes blog. gute texte!

    hgfk

  2. Hat dies auf Madleners Erbe rebloggt und kommentierte:
    Es kann keiner über uns schreiben, wenn es sich die Autoren nicht leisten können hierher zu fahren, da die Redaktionen nicht mal mehr die Fahrtkosten bezahlen …

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