Das eigentlich Schlimme am blauen Pferd der Königin

Nicole Leidenfrost Pferd

Nicole Leidenfrost, „Pferd“, 2014. ©www.nicole-leidenfrost.de

Seit dem 25. Juni 2015 kennen die Feuilletons und Kunstmagazine der deutschen Medienlandschaft eine Künstlerin, die gute Chancen gehabt hätte, bis zu ihrem Lebensende niemals zum Gegenstand medialer Aufmerksamkeit zu werden, wäre sie nicht auserwählt worden, der Königin von England ein Bild zu malen. Nicole Leidenfrost wollte Freude schenken, stattdessen hat sie Spott und Häme gebracht, über Deutschland, über Joachim Gauck, und über sich selbst – wobei ihr letzteres noch egaler zu sein scheint als Deutschland und Gauck. Recht hat sie, es darf ihr völlig egal sein. Sie hat nämlich nichts getan.

Nach eigener Aussage hat Nicole Leidenfrost kein Interesse daran, Kunst zu schaffen, die für etwas steht, sondern Menschen glücklich zu machen mit ihren Bildern, und wahrscheinlich gelingt ihr das bei ihren üblichen Kunden sogar. All die Berichte und Interviews, die sich über die unterkomplexen künstlerischen Intentionen von Leidenforst lustig machen, übersehen, dass die eigentliche Ursache für das zweifelsohne peinliche Geschenk nicht in der fragwürdigen Qualität des künstlerischen Schaffens von Leidenfrost liegt. Sondern im Umstand, dass das Äquivalent einer Kritzelei, die Mutti vom Kind geschenkt bekommt, überhaupt als für ein Staatsgeschenk infrage kommendes Kunstwerk klassifiziert werden konnte. Dass es niemanden zu geben scheint im ganzen Apparat des Bundespräsidialamtes, der etwas von Kunst versteht oder zumindest ahnt, dass man bei mangelnder Eigenkompetenz jemanden zu Rate ziehen sollte, der dies tut. Dass man offensichtlich glaubt, Farbe auf Papier oder Leinwand sei automatisch Kunst. Und weil Kunst halt Kunst ist und sich Kunst ja bekanntlich jeder objektiven Bewertung entzieht, ist es doch auch egal, von wem die ist, die Kunst. Da kann man doch auch diese Künsterlin nehmen, die sich vor ein paar Monaten so nett darum beworben hat, mal einem Staatsgast etwas Hübsches zu malen. Anstatt sich mal umzuschauen in der Kunstwelt und jemanden zu finden, dessen Kunst komplexeren Kriterien als „bunt und freundlich“ genügt und einen anspruchsvolleren Bezug zur Beschenkten herstellen kann als über das Abmalen eines im Internet gefundenen Fotos.

Dass die internationale Präsenz und Anerkennung zeitgenössischer Kunstschaffender aus Deutschland wenig mit staatlicher Förderung zu tun hat, ist schade, aber kein Skandal. Aber dass sich der Staat nicht zu schade ist, seine krasse Ignoranz dem Kunstschaffen im eigenen Land gegenüber so unverhohlen zur Schau zu stellen, das ist tatsächlich skandalös.

5 Kommentare

  1. „Aber dass sich der Staat nicht zu schade ist, seine krasse Ignoranz dem Kunstschaffen im eigenen Land gegenüber so unverhohlen zur Schau zu stellen, das ist tatsächlich skandalös.“

    genau so ist es!

  2. Das eigentlich Schlimme ist, dass Leute, denen es nicht gefällt oder die sich genau 2 Sekunden Zeit genommen haben, um sich mal mit Werk und Künstlerin genauer zu beschäftigen, sich gemüßigt fühlen vermeintlich inhaltsvolle Kommentare dazu abzugeben. Kritik offenbart weit mehr über den Kritiker selbst, als über den Gegenstand der Betrachtung.

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