Ei ei ei, was seh’ ich da…

Gavin Turk bei der Enthüllung seines „Oeuvre Verdigris“ vor dem Somerset House in London. ©www.standard.co.uk.

Ostern wäre ohne Eier bestimmt sehr viel weniger beliebt, wohingegen der Beliebtheitsgrad von Kunst nicht eierabhängig zu sein scheint, was das Ei allerdings nicht davon abhält, bei KünstlerInnen sehr beliebt zu sein, und zwar sowohl als Medium (Eitempera) als auch Sujet, und das tatsächlich schon seit sehr langer Zeit, nämlich mindestens seit der Antike.

Heute denkt man bei Kunst und Eiern vielleicht als erstes an die Eier von Jeff Koons, auch an die Skulpturen, und an die Spiegeleier von Sarah Lucas, in einem Selbstportrait von so ikonischer Kraft, dass man bei der davon inspirierten T-Shirt-Edition tatsächlich sofort und nur an Lucas denkt. Dies übrigens ein schönes Beispiel dafür, dass auch im Eierbereich weniger tatsächlich mehr sein kann (was allerdings keine Einladung dazu sein sollte, überhaupt keine Eier zu zeigen, also ein bisschen Eier sollte jeder Mensch schon haben), die 7000 Spiegeleier jedenfalls, mit denen Christopher Chiappa 2015 die gesamten Räumlichkeiten der New Yorker Galerie Kate Werble überzog, ergaben ein lustiges, aber nicht bleibendes Bild. Auch die kollektiven Eierwurf-Aktionen, die Lucas regelmäßig für Frauen organisiert, erzeugen zwar schöne Wandmalereien, aber es scheint, bleibenden Eindruck können Eier in der Kunst nur erzeugen, wenn sie nicht in allzu großer Häufung auftreten.

Keine Ahnung, ob es da einen Zusammenhang gibt, aber zwei von Eiern geradezu besessene Künstler sind Briten, nämlich Gavin Turk und David Shrigley. Turk, der das formschöne Fruchtbarkeitssymbol zu Beginn seiner Künstlerlaufbahn zu seinem Wappentier erkor und so eierversessen ist, dass sich Kunstkritiker schon fragten, „Is Gavin Turk an egg?“, rief sogar zu einem Eier-Fotowettbewerb auf. Hier hochgeladene Einreichungen werden vom 16.-19. Mai 2019 im Somerset House in London gezeigt, auf dessen Terrasse Turk soeben eine seiner Eierskulpturen enthüllte. Wie Turk zeigt auch Shrigley, dass man die universale und unmissverständliche Erkennbarkeit der Eiform auf keinen Fall als Selbstverständlichkeit erachten sollte. Wenn Shrigley jedenfalls auf seine Eiskulptur „Egg“ schreibt, also Ei, dann bringt das die Unmissverständlichkeit einer Unmissverständlichkeit derart ins Wanken, dass man nach dem Erblicken eines Shrigley-Eies Jahre damit verbringen kann, alles infrage zu stellen, was einem unter die Augen kommt.

Um auf Ostereier zurückzukommen: Das Gute an Eiern in der Kunst im Gegensatz zu Eiern im Osternest ist der geringere Kaloriengehalt, der kompensiert wird durch einen höheren Konzeptgehalt, den intellektuell zu verarbeiten wiederum ein höheres Maß an Hirnaktivität fordert als der Verzehr von Schokoladeneiern, und wir alle wissen ja, wie viele Kalorien die Aktivierung des wichtigsten Muskels des menschlichen Körpers verbrennt – dieser Beitrag jedenfalls kompensiert den Genuss von 5 Schokoladenostereiern, und zwar mit Füllung.