Drama hinter Gittern

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Auf dem Gelände des Atelierhof in Kreuzberg gibt es einen Projektraum namens „Ozean“. Man kann den Raum nicht betreten, man kann ihn und die Kunst darin nur durch ein Gitter anschauen. So wie man in Malibu den Ozean meist nur aus der Ferne durch eine Zaunlücke sehen kann, weil die Celebrity-Anwohner dem Volk den Zugang zu den Stränden verwehren, obwohl das gegen das Gesetz ist. Die Strände und der Ozean in Kalifornien gehören nämlich allen, oder keinem, aber jeder darf dahin, aber eben nur eigentlich, denn die Abschottungsaktionen der Celebrities verhindern das, und das macht, dass die Menschen auf der falschen Seite der Zäune nur noch mehr Sehnsucht haben nach dem Ozean. Ganz schlau also von dem Ozean in Kreuzberg, dass man ihn nur anschauen, aber nicht darin eintauchen kann.

Der Raum war früher ein Carport oder wie diese Dachkonstruktionen heißen, unter denen man Autos parkt, und auch jetzt ist er nicht viel mehr. Ein Verschlag, seitlich mit einem Gitterzaun verschlossen. Er sieht ein bisschen aus wie ein Stall. Oder ein Zoogehege, ein Löwenkäfig vielleicht. Irgendwas, wo man etwas Lebendes aufbewahrt, wo man etwas hält, was nicht unbedingt freiwillig bei einem bleiben würde.

Ozean_Stokou_03Der Betrachter steht vor dem Gitter, die Kunst dahinter. Dass er nicht in den Raum gelangen kann, macht das darin Befindliche besonders wertvoll – vielleicht ist es aber auch gefährlich. Der Betrachter weiß nicht, ob er sich geschützt fühlen soll oder ausgeschlossen. Ein bisschen indigniert vielleicht auch, denn der Raum ist nicht beaufsichtigt, die Kunst darin nicht bewacht, die Sache mit dem verschlossenen Gitter ist als Diebstahlschutz also durchaus sinnvoll – lässt allerdings auch die Vermutung zu, dass die Macherin des Raums das Schlechteste von ihren Besuchern zu denken scheint.

Aktuell gibt es allerdings nichts, was wertvoll genug wäre, aus dem Raum gestohlen zu werden. Es sei denn, man hält einen Overhead-Projektor für wertvoll, einen von der altmodischen Sorte, die zum Aussterben verurteilt ist, seit es Beamer gibt. Der Projektor ist dazu da, „Pausen Bilder“ zu machen. Jede Woche projiziert er ein neues Bild, von wechselnden Künstlern. Alle haben das selbe Setup zur Verfügung – Projektor, Projektionsfläche, Blick durchs Gitter –, aber das macht nichts, beziehungsweise, das ist natürlich überhaupt das Tolle an der Sache, dass aus denselben Voraussetzungen so UnterschieOzean_Stokou_01dliches entstehen kann. Da gibt es explizite Bezugnahmen („Frauen hinter Gittern“ von Daniela Comani) oder formale Spiele mit der Gitterstruktur („Fig.1“ von Joep van Liefland), aber auch subtile Verstärkungseffekte wie in der Arbeit von Despina Stokou, die vielleicht am stärksten eingeht auf die Ambivalenz der Hinter-Gittern-Situation: „Drama, Drama, Drama“ steht da, etwas unbeholfen gekrakelt oder geschnitzt wie in einen Holzschnitt-Druckstock, als hätte jemand im letzten Moment noch eine Nachricht hinterlassen, eine Art Hilfeschrei, bevor ihm Schreckliches geschah, wofür dann jemand eingesperrt wurde, aber das Drama geht immer weiter.

Pausenbilder gehören zu den skurrileren Kapiteln der Fernsehgeschichte, diese Nicht-Inhalte, welche die Zeit zwischen den eigentlichen Sendungen füllen sollten, zum Beispiel wenn von einem Sender zum anderen umgeschaltet wurde. Die Erkenntnis, dass sie in ihrer Funktion, die Pause zwischen zwei Inhalten zu markieren, genauso Inhalt waren, überkam ihre Erfinder erst, als sie herausfanden, dass manche dieser Lückenfüller (zum Beispiel Antje, das prustende Walross im NDR) genauso beliebt waren wie so manche Sendung im Hauptprogramm. Vielleicht ergeht es den als Überbrückungsprogramm für die Wintermonate gedachten „Pausen Bildern“ im Ozean ebenso.

„Pausen Bilder“, Ozean, Berlin, bis zum 25.2.2014.