Frisurproblem mit Ellen Blumenstein

Ellen Blumenstein Harpers

Wie gut, dass sich in der neuen Harper’s Bazaar Germany ein Beitrag über die Frisur von Ellen Blumenstein findet, das gibt mir Gelegenheit, mich auf einem Kunstblog über Frauenthemen auszulassen, ohne mich off topic bewegen zu müssen.

Frisurentipps in Frauenmagazinen sind eine Selbstverständlichkeit, Berichte über Frauen mit interessanten Jobs in Frauenmagazinen sind lobenswert, und ein gutes neues Frauenmagazin könnte der deutsche Zeitschriftenmarkt echt mal gebrauchen. Leider aber kommt alles falsch zusammen in der Geschichte über KW-Chefkuratorin Ellen Blumenstein in der neuen Ausgabe von Harper’s Bazaar Germany. Der Werdegang von Blumenstein wäre auch ohne Erwähnung ihrer Frisur eine Geschichte wert, wird hier allerdings so erzählt, als hätte die Person Blumenstein überhaupt nur dank ihrer Frisur eine Daseinsberechtigung. Und das Magazin selbst… der deutsche Frauenzeitschriftenmarkt bleibt auch nach Ankunft der deutschen Harper’s Bazaar frei von Relevanz.

Aber zurück zur Frisurengeschichte. Der Teaser – „Ellen Blumenstein war die süße, langhaarige Assistentin eines berühmten Kurators in Berlin. Dann schnitt sie sich die Haare ab. Heute hat sie seinen Job“ – ist zugleich Fazit des immerhin vier Seiten langen Stücks: Haare ab, dann klappt’s auch mit dem Erfolg.

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich bin komplett feminismusfreie Zone und habe meine eigene Geschlechtszuordnung immer eher als Vor- denn als Nachteil erlebt. Trotzdem stöhne ich auf, wenn in der „Beauty“-Rubrik einer Frauenzeitschrift ein Kurzhaarschnitt mit weiblichem Empowerment gleichgestellt wird. Dass Blumenstein betont, sich zum Kürzen der Haare inspiriert gefühlt zu haben, als sie eine Frau sah, die trotz kurzer Haare weiblich attraktiv aussah, soll von diesem Bezug vielleicht ablenken, macht die Sache aber nur noch schlimmer – muss heute wirklich noch betont werden, dass man als Frau auch mit kurzen Haaren sexy sein kann?!

Kuratieren statt Frisieren

Blumenstein erweist der Förderung eines selbstbewussten Frauenbildes einen Bärendienst. Wäre sie wirklich so stark, ganz unabhängig von ihrer Haarlänge Frau zu sein, dann hätte sie gefordert, die Geschichte an ihrem Beruf aufzuhängen, nicht an ihrer Frisur. Ein Bericht über einen männlichen Kurator würde wohl niemals an dessen Frisur festgemacht werden, obwohl das im Fall von Klaus Biesenbach durchaus einiges hergeben würde.

Aus Sicht der Redaktion von Harper’s verstehe ich den Ansatz übrigens durchaus. Da dachte man sich, Kuratorin ist doch ein toller neuer Job, der steht so schön für das Bild unserer Wunschfrau, die sinnlich, aber auch tough ist, cool, ganz vorn dabei und stylish, aber auch intelligent. Und überhaupt, Kuratieren ist so ein cooles Modewort, und vielleicht sagen wir einfach statt Frisieren ab sofort Haare kuratieren?

Die meisten Frauenmagazine agieren verkrampft standardisiert an der Realität vorbei. Der Rückgriff auf ein neues Vokabular ändert nichts daran, dass das vermittelte Frauenbild immer noch das alte ist. Die Erneuerung der Darstellung scheitert daran, dass diese Magazine nicht wissen, ob sie Realität oder Wunschvorstellung verkaufen sollen und sich deshalb gar nicht erst einem Realitätsabgleich stellen. Beides wäre übrigens ok, nur müssten die Magazine ihre Haltung entsprechend transparent machen. Dazu müssten sie natürlich überhaupt erstmal eine Haltung entwickeln.

Frauen sind das Problem, nicht Frauenmagazine

Das eigentliche Ärgernis ist aber nicht, dass sich ein Frauenmagazin in seiner desorientierten Rückratlosigkeit wie ein Frauenmagazin verhält, sondern dass eine reflektierte Frau wie Ellen Blumenstein sich für so eine Geschichte hergibt. Frauen ärgern sich ständig über das in Frauenzeitschriften vermittelte Frauenbild. Aber Frauenzeitschriften werden nicht von kleinen grünen Männchen gemacht, die uns Frauen ein Bild aufzwängen. Wir selbst sind es, die bestimmen können, wie wir dargestellt werden wollen. Das eigentliche Problem sind also nicht die Frauenmagazine, sondern die Frauen.

Wäre Ellen Blumenstein aus einem anderen Metier, hätte mich die Darstellung in Harper’s Bazaar übrigens nicht so überrascht. Es ist der Umstand, dass wir es mit einer Vertreterin der Kunstwelt zu tun haben, der mir zu schaffen macht. Auch wenn Frauen in der Kunst immer noch unterrepräsentiert sind, gibt es gerade unter Galeristen und Kuratoren schon seit Jahrzehnten und aktuell immer mehr einflussreiche Frauen, die sich nicht dezidiert feministisch positionieren, und die nicht darüber heulen, dass es Frauen ja ach so schwer haben, sondern die einfach die Ärmel hochkrempeln und durch Präsenz und Networking auf eine Nivellierung von Ungleichgewichten hinarbeiten. Wenn sich Frauen, von denen ich glaubte, sie stünden für genau jene neue Generation von selbstverständlicher Weiblichkeit, auf ihre Frisur kaprizieren lassen, dann wundert es mich nicht mehr, dass im Kunstbetrieb immer noch so wenige Frauen vertreten sind.

5 Kommentare

  1. Ich empfinde die Veröffentlichung über Ellen Blumstein vor allem als sehr ein persönliches und mit einem dezent humorvollen Abstand zum eigenen Ego geschriebenes Protokoll. Denn mal ganz ehrlich, dass es Frau Blumstein nicht auf Grund ihres Haarschnitts geschafft hat, setzt man doch voraus. Also warum so streng lieber Leser der deutschen Ausgabe von HB.

  2. Liebe Blitzkunst.

    Ich habe mir den Artikel über Frau Blumenstein sehr genau durchgelesen.
    Ich durfte in den Jahren des
    „Haare lassen’s“ sogar live dabei sein.
    Die Geschichte ist vermute ich eine
    WIN WIN Aktion.
    Nachdem zwei ehemalige Mitarbeiter von Deborah als Newcomer des Jahres unter anderem in der ELLE standen,wurde es höchste Zeit für Presse.
    Das Ergebnis ist dieser absurde Bericht im H.B.
    Das Interview mit Frau Blumenstein in der Vogue ist dagegen top!

  3. Liebe Blitzkunst,

    ich habe die Geschichte über Fr. Blumensteins Frisur nicht gelesen. Aber wenn sie sich im Ganzen so liest wie der von Ihnen zitierte Artikel, dann bin ich ausdrücklich mitempört oder zumindest mitgenervt. Danke für den Hinweis. Allerdings wundert mich die Schuldaufteilung zwischen Fr. Blumenstein und Harper’s Bazaar. Wenn man die Abläufe des deutschen Magazinjournalismus kennt, dann weiß man, dass das mit dem „Hergeben“ nicht immer ganz so einfach ist. Ich könnte mir zum Beispiel gut vorstellen, dass der HP bei Fr. Blumenstein einfach nur angefragt haben, ob sie eine Geschichte machen dürfen… und weil man ja als Kuratorin auch ein berechtigtes Interesse daran hat, in allen möglichen Ecken der Medienlandschaft wahrgenommen zu werden, darf man dann auch ruhig ja sagen. Es ist nämlich sehr gut möglich, dass die HP-Leute sich einfach mit Fr. Blumenstein zum Interview getroffen haben und dann im NACHHINEIN das Thema mit der Frisur eingebaut haben… oder bspw. eine beläufige, witzig gemeinte Bemerkung in’s Hauptthema verwechselt haben. Weil in Deutschland Zitate u.Ä. nicht immer unbedingt im Nachhinein autorisiert werden, wär es also vielleicht ganz gut, mit der Anklage an Fr. Blumenstein etwas vorsichtig zu sein… vielleicht einfach mal nachfragen wie sie die Sache findet?

    Viele Grüße,
    Gregor

    Ps.: Übrigens finde ich, dass Feminismus in seinen besseren Sorten war schon immer etwas mehr war als nur Gemeckere… nur weil man sich nicht ständig benachteiligt fühlt, muss man also keine „feminismusfreihe Zone“ ausrufen.

    1. Sehr guter berechtigter Kommentar und das von einem Mann
      Postfeminismuns ? nein danke!!!!

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